4.7 (6.106 Bewertungen)
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Ein gewöhnungsbedürftiger Genuss
Glibbrig quietschig an der Oberfläche, außen gräulich gelb und kreideweiß im Inneren, von Furchen und Klüften zermergelt und penetrant animalisch an Nase und Gaumen – mmmh lecker Graukäse! Freunde des Südtiroler Sauermilchkäses müssen schon mal den ein oder anderen fragenden Blick ob ihrer geschmacklichen Zurechnungsfähigkeit über sich ergehen lassen. Wer mit der intensivaromatischen Spezialität nicht vertraut ist, rümpft mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit beim ersten Mal die Nase. Doch wie bei vielen feinen Dingen, gilt auch beim Graukäse, dass das Kennenlernen eine gewisse Überwindung herkömmlicher Vorlieben mit sich bringt.
Vom Bauernhof zum Hofstaat
Was heute im mit drei Michelin-Sternen gekürten St. Hubertus von Norbert Niederkofler als Neuinterpretation des Marendenklassikers in Form eines luftigen Schaums zum Risotto serviert wird, war einst hauptsächlich Armeleuteessen. Dieses qualifizierende „hauptsächlich“ ist angebracht, da der Graukäse bereits seit seinen uns bekannten Anfängen eine Doppelexistenz zwischen Bescheidenheit und Prunk fristet.
Urkundlich bezeugt werden Produktion und Verzehr von dem, was wir heute Graukäse nennen, schon im fernen 14. Jahrhundert. Registereinträge vom Schloss Sonnenburg im Herzen des Pustertals listen Zehntabgaben von Lehenshöfen aus dem Ahrntal auf, unter denen sich auch der Star dieses Artikels befindet. Die Schlossanlage beherbergte einst ein Frauenkloster für die Töchter des örtlichen Adels, denen nur das Beste vom Besten vorgesetzt werden sollte: Vorhang auf für den Graukäse! Der expressive Magerkäse erfreute sich also sowohl in den bescheidensten Verhältnissen als auch unter Vertretern der gehobenen Gesellschaft größter Beliebtheit.
Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung
Die Herstellung vom adelswürdigen Ahrntaler Graukäse hat sich in 700 Jahren Geschichten jedoch kaum verändert. Er wird auch heute noch weiterhin in Handarbeit hergestellt und so darf jeder Laib als Unikat bezeichnet werden. Beim Graukäse handelt es sich um einen sogenannten Sauermilchkäse, einer Käsegattung die besonders im Tiroler Alpenraum verbreitet ist. Zur Graukäsegewinnung verwendet man Magermilch, die nach dem Abschöpfen des Rahms übrigbleibt und häufig als Restprodukt entsorgt wird. Weiterhin wird in der Herstellung kein Lab – das gerinnungsinduzierende Hormon, das bei der Produktion fast aller anderen Käsesorten unerlässlich ist – angewandt. Der Käsebruch, die sogenannten Tschotten, entstehen durch die Beigabe von saurer Milch oder Molke. Der geronnene Bruch wird schließlich in runde oder eckige Formen von 300 g bis zu 4 kg gefüllt und mehrere Wochen im Warmen gereift.
Im Zuge der Reifung bilden sich grüngraue Schimmelkulturen an der Oberfläche der Laibe, die sowohl für den Namen, wie für den ausdrucksstarken Geschmack des Graukäses verantwortlich sind. Jung ist sein animalisches Wesen noch recht zurückhaltend und seine Konsistenz ähnelt der von Topfen oder Quark. Gereifte Laibe sind hingegen klumpig bröselig und ihr Geschmacksprofil ist Kennersache. In der Küche wird Graukäse gerne in Knödeln verarbeitet oder besonders fein auch in der Sauce zu Blutnudeln oder einfachen Bandnudeln. Seine wohl zeitloseste Rolle spielt der Graukäse aber gewiss im Dreimannstück zusammen mit Essig und roher Zwiebel. Mit seinen rekordverdächtig wenigen 2% Fett ist der Magerkäse auch bei Figurbewussten beliebt, die nicht auf Gaumenfreuden verzichten mögen.
Vom Aussterben bedroht, von Kennern gefeiert
Zwar hat der Ahrntaler Graukäse nicht weit von seinem Heimatort nahe Verwandte aus der Familie der Sauermilchkäse im Zillertal und in Nordtirol, aber das Ahrntaler Original ist ein echtes Unikum: Während seine Cousins vorwiegend aus pasteurisierter Milch mit Zugabe von Kulturen hergestellt werden, darf der Ahrntaler Graukäse ausschließlich aus Rohmilch ohne Zusatz von Lab oder ähnlichen Gerinnungshilfen gewonnen werden. Diese – nun hoffentlich auch der Mehrheit der Leser schmackhaft gemachte – Spezialität ist heute jedoch zu einer echten Rarität geworden. Im ganzen Ahrntal gibt es lediglich 30 Produzenten, von denen bloß 2(!) eine Verkaufslizenz besitzen. Besonders vor den 2010er Jahren drohte der Ahrntaler Graukäse aufgrund der mikroskopisch kleinen Produktionskapazität fast gänzlich vom kulinarischen Parkett zu verschwinden. Durch seinen Einzug in die Gourmetwelt, dem Käse Festival in Sand in Taufers und seinem vom Förderkreis Slow Food anerkannten Status als kulinarisches Erbe sichert sich der feine Stinker seinen Platz am Marendebrettl sowie im Dreisternerestaurant.
Foto Quelle: IDM
Fotograf: Josef Gorfer
Tags: graukäse, südtirol, Pur Südtirol, graue Perle der Alpen, Blog
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